Das Calbenser Blatt, 08/02, S.7
Werkleitz-Biennale wirkt nachhaltig
Text und Fotos Thomas Linßner (1), Manfred Cuno (2)
Werkleitz/Tornitz. "Nanu, was steht denn da im Kornfeld?", fragten
sich
Kraftfahrer verwundert, als sie Anfang August am "Handweiser" zwischen
Calbe und Barby vorbeikamen. Mitten im Kornfeld war ein riesiges Plakat zu
sehen, das zu einem Projekt der 5. Werkleitz-Biennale gehörte. Die
"dokumenta des Ostens" zeigte unter dem Titel
"Zugewinngemeinschaft"
Beiträge von rund 100 Künstlern aus 20 Ländern der Erde. Dazu zählte auch
die Präsentation von ost- und westdeutschen Wahlplakaten der 70er Jahre.
Darunter waren auch absurde Parolen in Eigenschöpfung, die komprimiert aus
Fragmenten tatsächlicher Parteiprogramme einen Widerpart zu den
Wahlkampfrelikten bilden.
Die Organisationen hatten es fertig gebracht, dass während der Biennale
jeden Tag ein Shuttle-Bus für Journalisten und Interessierte zwischen
Berlin und Tornitz verkehrte.
Dem Medienkunstfestival ist es endgültig gelungen, seinen Ruf als
bedeutendste Veranstaltung seiner Art in den östlichen Bundesländern auch
im überregionalen Bewusstsein zu festigen. Fünf Tage lang bevölkerte eine
bunte Schar aus Weithergereisten und Alteingesessenen, aus
Kunstverständigen, Journalisten, Fernsehteams und Neugierigen den
weiträumigen Ausstellungsparcours. Und trotz drückender Hitze blieb kaum
ein Stuhl unbesetzt, wenn im Saal der Gaststätte "Zur Post" Filme und
Performances gezeigt wurden, wenn Vorträge und Diskussionen liefen. Und
mancher wird vielleicht zögern, ehe er, wie gewohnt, schwungvoll Flaschen
in Altglascontainer wirft: Standen nicht in Tornitz vor der Kirche solche
Behälter, aus denen es geheimnisvoll wisperte? Wer aber die Werkleitz
Biennale besucht hat, sieht die Dinge heute mit anderen Augen. Angeregt
durch die Beiträge, konnte in Werkleitz die Entdeckungsreise nach
kulturellen Zugewinnen angetreten werden. Künstlerische und dokumentarische
Ansätze gingen Hand in Hand und entfalteten im Mikrokosmos des Doppeldorfes
ein großes Panorama unserer auf Zugewinne fixierten Gesellschaft. Die
Aufbruchsstimmung der 70er Jahre war Anlass, verborgene Utopien
aufzuspüren, Potentiale zu erkunden, die sich oft erst im Blick von außen
auf die Gesellschaft zu erkennen geben. Der kritische Impuls dieser
Biennale wird nachwirken. Nachwirken wird auch der kulturpolitische Impuls:
Aktuelle, politisch engagierte Kunst findet ihr Publikum nicht nur in den
Metropolen. Seit zehn Jahren ist die Werkleitz-Biennale kontinuierlich
gewachsen. Schon die dritte und vierte Biennale waren ein überregionaler
Erfolg. Nun hat sie sich nachhaltig etablieren können, eine über die
Grenzen Deutschlands hinausreichende Beachtung bleibt ihr auch in Zukunft
gewiss.
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